Wie aus Bernd und Hans, Bernard und Harold wurde:
Die Geschichte der Brüder Liebreich aus Wattenscheid
Vortrag von Martin Breuer
Spätestens nach der Reichspogromnacht 1938 begriffen die bis jetzt in Deutschland verbliebenen Juden, dass sie nach Ausgrenzung und Entrechtung nun der offenen Verfolgung in diesem Land schutzlos ausgeliefert waren. Daher versuchten viele Familien, zunächst ihre Kinder und später sich selbst in Sicherheit zu bringen. Mit der zunehmenden Verfolgung der deutschen Juden und den Novemberpogromen setzte in Großbritannien eine Diskussion darüber ein, wie den Verfolgten in Deutschland geholfen werden könnte. Ein Ergebnis dieses Diskurses war, dass im Februar 1939 ein Durchgangslager für etwa 3.000 Flüchtlinge in einem ehemaligen britischen Armeelager eingerichtet wurde.
Während Bernd und Hans Liebreich als Jugendlichen im März 1939 noch die Flucht nach Großbritannien gelang und sie in dem ehemaligen Armeelager Aufnahme fanden, waren ihre Eltern, Julius Liebreich und Grete Liebreich, geb. Spiero, sowie der jüngere Bruder Rudi Liebreich der weiteren Verfolgung ausgesetzt. Im Februar 1943 wurden sie nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Was aber erwartete die Geflohenen in Großbritannien? Wurden Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich dort „mit offenen Armen empfangen“ und welche Zukunftsperspektiven hatten sie? Welche Auswirkungen hatte der Krieg auf sie? Nun kämpften auch britische Soldaten in Frankreich gegen Nazi-Deutschland und in Großbritannien wurden Maßnahmen gegen eine deutsche Invasion ergriffen.
Viele der Geflohenen blieben nach dem Krieg in Großbritannien, einige kämpften als Soldaten der britischen Armee gegen Nazi-Deutschland. Sie änderten ihre Namen, schufen sich eine berufliche Existenz, wurden eingebürgert und gründeten dort ihre Familien.
Um zu bleiben, mussten sich auch Bernd und Hans Liebreich einigen Herausforderungen stellen und Hindernisse überwinden.
Mit Inkrafttreten der Wiedergutmachungsgesetze konnten auch damals Geflohene eine Entschädigung beantragen. Als neue britische Staatsbürger führte dies erstmals zur Kontaktaufnahme mit Behörden aus dem Land, aus dem sie geflohen waren. Auch Bernd und Hans Liebreich stellten 1955 ihre Anträge auf Wiedergutmachung, mit denen sie - wie viele andere Verfolgte - nicht nur gute Erfahrungen machten.
Der Vortrag ist Teil der Reihe „Aus Nazi-Deutschland entkommen - Flucht und Neubeginn Teil 2", der ausgewählte Flucht-Biografien damals junger Menschen aus Bochum und Wattenscheid vorstellt.
Sie sind herzlich dazu eingeladen! Aus organisatorischen Gründen bitten wir um Anmeldung unter: info@initiative-nordbahnhof-bochum.de
Vor Beginn des Vortrags, 17.00 bis 18.30 Uhr, öffnen wir die Ausstellung „Drehscheibe des Terrors“.